Christkind oder Weihnachtsmann: Wer bringt an Weihnachten die Geschenke?
Als ich ein Kind war, konnte ich den Heiligabend kaum erwarten. Meine Brüder und ich warteten ungeduldig im Kinderzimmer, bis das Glöckchen endlich klingelte – das Zeichen, dass der Weihnachtsmann da gewesen war.
Heute wohne ich in Bayern, und hier bringt oft das Christkind die Geschenke.
Aber wer bringt sie wirklich? Nikolaus, Christkind oder Weihnachtsmann?
Geschenke an Weihnachten: Der Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern
Wie ist es bei dir? Wachst du am Morgen des 25. Dezembers voller Vorfreude auf, um zu sehen, welche Geschenke in der Nacht gekommen sind?
In Deutschland läuft das etwas anders: Wir sind zu ungeduldig, um so lange zu warten! Die Bescherung findet hier schon am Heiligabend, also am Abend des 24. Dezembers, statt.

Besonders in Familien mit kleinen Kindern beginnt das Fest oft schon am späten Nachmittag, wenn es draußen dunkel wird. Und dann kommt entweder das Christkind oder der Weihnachtsmann.
Beide haben fleißige Helfer dabei – manchmal Engel, manchmal Wichtel. Doch die Tradition der Weihnachtsgeschenke ist viel älter als Christkind und Weihnachtsmann. Denn schon der Heilige Nikolaus brachte den Kindern Geschenke.
Aber – wer bringt denn nun wirklich die Weihnachtsgeschenke?
Dazu müssen wir erst einmal verstehen, wer der Weihnachtsmann, das Christkind und der Nikolaus sind.
Der Nikolaus: Der Ursprung der Geschenke-Tradition

Der Nikolaus war der Erste von den dreien, der Geschenke gebracht hat.
Er lebte im 3. Jahrhundert und war der Bischof von Myra – einer Stadt in der heutigen Türkei. Er wurde später als Heiliger verehrt.
Hier kannst du mehr über den Nikolaus und den Nikolaustag am 6. Dezember nachlesen >>>
Schon im 16. Jahrhundert war es Tradition, dass Kinder am 6. Dezember, dem Todestag des Heiligen Nikolaus, kleine Geschenke bekamen – zum Beispiel Äpfel oder Nüsse.
Eine bekannte Legende erzählt, wie der Nikolaus drei Mädchen vor einem schweren Schicksal bewahrte:
Ihr Vater war so arm, dass er keine Mitgift für die Mädchen bezahlen konnte – das war damals notwendig, um zu heiraten. Ohne Mitgift hätten die Mädchen keine Möglichkeit gehabt zu heiraten und wären gezwungen gewesen, ihren Lebensunterhalt auf andere Weise, etwa durch Prostitution, zu verdienen.
Der Bischof Nikolaus hörte von der Not der Familie. In der Nacht warf er drei Goldklumpen durch das Fenster des Hauses. Damit konnten die Mädchen heiraten und waren gerettet.
Diese Geschichte erklärt, warum der Nikolaus auch später seine Geschenke heimlich in der Nacht brachte, während die Kinder schliefen.
Warum bekam der Nikolaus „Konkurrenz“?
Im 16. Jahrhundert veränderte die Reformation viele Traditionen. Dinge, die in der katholischen Kirche selbstverständlich waren, wurden plötzlich hinterfragt – auch die Verehrung von Heiligen.
Martin Luther lehnte die Heiligenverehrung ab, und damit auch die Tradition, dass der Nikolaus am 6. Dezember Geschenke bringt. Gleichzeitig wusste Luther, wie wichtig die Vorfreude auf Geschenke für Kinder und Erwachsene war.
Statt die Tradition ganz abzuschaffen, schuf er eine neue: Ab etwa 1530 brachte in seinem Haus der „Heilige Christ“ die Geschenke – und zwar in der Nacht vor Weihnachten, zu seinem Geburtstag am 24. Dezember.
Mit der Zeit entwickelte sich das Christkind

Das Christkind, wie wir es heute kennen, ist nicht mehr direkt das Jesuskind in der Krippe. Stattdessen hat es sich zu einer Figur entwickelt, die wie ein Engel aussieht. Jedes Jahr kommt es an Heiligabend zu uns auf die Erde und legt die Geschenke unter den Weihnachtsbaum.
Vielleicht stammt diese Vorstellung aus den Engeln im Krippenspiel:
Das waren oft kleine Mädchen mit blonden Locken, langen weißen Kleidern und einem Heiligenschein. So stellen sich viele Menschen auch heute noch das Christkind vor.
Weltberühmt ist beispielsweise das Nürnberger Christkind, das jedes Jahr den Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnet.
Im Süden und Westen Deutschlands bringt traditionell das Christkind die Geschenke – ironischerweise gerade in den Regionen, die stark katholisch geprägt sind.

Der Weihnachtsmann

Im Norden, Osten und in Mitteldeutschland kommt dagegen häufig der Weihnachtsmann.
Seine Wurzeln reichen ebenfalls bis zum Heiligen Nikolaus von Myra zurück. In einigen Regionen begleitete Knecht Ruprecht oder Krampus den Nikolaus am 6. Dezember. Während der Nikolaus die guten Kinder beschenkte, war sein Begleiter dafür zuständig, die bösen Kinder zu bestrafen.
Im 19. Jahrhundert begannen sich die Vorstellungen von Nikolaus, Knecht Ruprecht und dem Weihnachtsmann immer mehr zu vermischen. Schließlich entstand der Weihnachtsmann, wie wir ihn heute kennen.
Das bekannte Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ wurde 1835 vom Dichter Hoffmann von Fallersleben geschrieben. Es beschreibt die Vorfreude auf die Bescherung – den Moment, wenn der Weihnachtsmann die Geschenke bringt.
1862 zeichnete der Karikaturist Thomas Nast, ein Auswanderer aus der Pfalz, die erste moderne Darstellung des Weihnachtsmanns: ein dickbäuchiger Mann mit langem Bart, in rot-weißer Kleidung. Diese Figur brachte Geschenke zu den Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg.
Später übernahm Coca-Cola dieses Bild für seine Weihnachtswerbung – und machte den Weihnachtsmann weltberühmt.
Und ... wer bringt nun die Geschenke?
Wer wirklich die Geschenke bringt, bleibt wohl ein Geheimnis. Vielleicht werden wir es auch nie erfahren.
Denn … wer traut sich schon, durch das Schlüsselloch zu schauen???

Als ich ein Kind war, brachte der Weihnachtsmann die Geschenke – kein Wunder, meine Eltern stammen aus Norddeutschland.
Heute lebe ich mit meiner Familie in Bayern, und hier kommt normalerweise das Christkind. Wir denken, die beiden arbeiten wohl zusammen. Schließlich ist es eine riesige Aufgabe, alle Kinder auf der Welt zu beschenken!
Und wie ist es bei dir? Kommt bei dir der Weihnachtsmann oder das Christkind?
Wortschatz
der Heiligabend - 24. Dezember - Christmas eve
das Glöckchen = die kleine Glocke - little bell
die Vorfreude - anticiapation
ungeduldig - impatient
fleißig - diligent, hard-working
der Engel - angel
der Wichtel - gnome
von den dreien - out of the three
der Bischof - bishop
der Heilige - Saint
verehren - do venerate
bewahren vor - to protect from
das schwere Schicksal - hard/ difficult fate
die Mitgift - dowry
gezwungen sein - to be forced (sie wären gezwungen gewesen - they would have been forced)
der Klumpen - lump, nugget
etwas hinterfragen - to question sth
die Verehrung - the veneration
ewas ablehnen - (here:) to diaspprove of sth
abschaffen - to abolish
(etwas Neues) schaffen - to create (sth. new)
die Krippe - manger die Vorstellung - (hier:) idea
das Krippenspiel - nativity play
der Heiligenschein - halo
begleiten - to accompany
der Begleiter - companion
bestrafen - to punish
sich vermischen - to mix
der Dichter - poet
der Auswanderer - emigrant
der Bürgerkrig - civil war
etwas erfahren - to find out sth.
sich trauen - to dare
das Schlüsselloch - the keyhole
wohl - probably